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Berner Sanktionsmassnahmen gegen Killerspiele

Reaktion auf Bericht der Bernerzeigung. Siehe Links

Berner Sanktionsmassnahmen gegen Killerspiele (irgend ein knackiger Titel)

Darum geht es

Der Vizepräsident der SP Bern, Roland Näf, reichte schon vor zwei Jahren im Grossen Rat eine Motion mit dem polemischen Titel "Killerspiele"[1] ein. Der Berner Grosse Rat nahm nun am vergangenen Mittwoch eine ähnliche Motion mit fünf Stimmen Unterschied an. Nun liegt der Ball beim Regierungsrat. Er muss Massnahmen zur Sanktionierung ausarbeiten. Roland Näf, der Motionär, kann sich vorstellen, dass "Eltern mit bis zu drei Monaten Haft belegt werden könnten, wenn sie ihren Kindern gewaltverherrlichende Games zur Verfügung stellen."[2] Weiter fordert die Motion die Schaffung einer nationalen und branchenunabhängigen Zertifizierungsstelle auf Ebene des Bundes. Diese Stelle soll anordnen, welche Videospiele ab welchem Alter freigegeben oder vollständig verboten werden.

Herr Näf ist für seine grotesken Äusserungen zu diesem Thema bekannt. Er stellt beispielsweise Killerspiele und Kinderpornografie auf die gleiche Stufe. So nennt er sie in ein und demselben Satz:

bc. "Mit einem Verbot von Killerspielen ist es gleich wie bei Kinderpornografie: Man bringt es nie ganz weg, aber wenn der Zugang schwieriger und damit risikoreicher wird, nimmt der Konsum zeitlich ab."[1]

Auf der Website der Vereinigung GameRights wird er aus der Solothurner Zeitung vom 28.04.2009 folgendermassen zitiert

bc. "Wir sind uns alle absolut einig, dass es keine Kinderpornografie geben darf und dass man nicht betrunken Autofahren darf. Warum? Weil diese Dinge Drittpersonen schaden. Das ist auch bei Killerspielen so."[3]

Solche Worte aus dem Munde eines Politikers sind inakzeptabel. Selbstverständlich sind wir uns alle einig, dass Kinderpornografie Drittpersonen immensen Schaden zufügt. Betrunkenheit am Steuer kann zu einer Schädigung Drittpersonen führen. Dass er diese beiden "Dinge" jedoch mit dem Killerspiel gleichstellt, ist nicht hinnehmbar.

In unserem nördlichen Nachbarland hat der Deutsche Kulturrat entschieden: Computerspiele sind ein Kulturgut.[4] Somit gehören Killerspiele ebenfalls unter die Rubrik Kunst, genauso wie Killerfilme, Killerbücher, Killerbilder oder Killermusik.

Die Zahl der Gamer in der Schweiz wird auf 1.3 Mio geschätzt und das Durchschnittsalter beträgt rund 30 Jahre.[5] Etwa jeder Dritte der 16-49jährigen haben in den letzten sechs Monaten ein Spiel erworben. Der Gamemarkt verzeichnete das stärkstes Wachstum aller Unterhaltungs-Medien in den letzten Jahren.[6]

Es ist interessant, dass sich zwar viele über «Killerspiele» aufregen, nicht aber über «Raserspiele»[7], werden doch auch bei Autorennen Gesetze nur zum Spass gebrochen und Menschen virtuell gefährdet. In beiden Fällen kann man aber nicht davon ausgehen, dass das Verhalten im Spiel in die Wirklichkeit übertragen wird. Müsste man das, so wären auch Rennspiele erst ab 18 freizugeben, aber schlimmer noch, sind doch gerade die potentiellen Raser mindestens 18, daher müsste man Kassenschlager wie «Midnight Club» oder «Need for Speed» komplett verbieten. Setzt man hingegen den Verstand ein, dann wird schnell klar, dass man eine virtuelle Welt nichts mit der Realität zu tun hat. Das verstehen selbst Kinder, die offensichtlich «Killermärchen» vom bösen Wolf oder menschenfressenden Hexen, die im Ofen verbrannt werden ohne psychische Schäden überstehen. Seit Jahrtausenden fliehen Menschen in Spiele, um ein Leben zu simulieren, dass sie in Wirklichkeit nicht führen können. In «Monopoly» spielen sie den herzlosen Grosskapitalisten, gleichzeitig spenden sie dem WWF Geld für die Erhaltung der Natur. Mit dem Brettspiel «Risiko» simulieren sie Krieg und Gewalt, spenden aber für Erdbebenopfer in Haiti. Die Welt der Fantasie und die reale Welt haben nichts miteinander zu tun. Jeder normale Mensch kann diese Grenze problemlos ziehen, selbst Kinder können das, denn sonst wären sie durch Märchen traumatisiert. Kinder spielen «Indianerlis» oder «Räuber und Polizist», sie schiessen mit Spielzeugwaffen aufeinander, und wenn man ihnen diese weg nimmt, formen sie ihre Finger zu Pistolen. Es gibt also überhaupt keinen Grund, irgendwelche Spiele, und seien sie noch so grausam, zu stigmatisieren. Es gibt kaum eine Rechtfertigung für Alterslimiten, ausser dass zu kleine Kinder überfordert werden, weil sie noch nicht in der Lage sind, die Bilder zu verarbeiten. Es ist ein viel grösseres Risiko, dass Kinder zu viel Zeit in den virtuellen Welten verbringen und das reale Leben, Hausaufgaben und Freunde vernachlässigen. Dieses Problem gibt es aber nicht nur bei Computerspielen und Filmen, sondern auch bei Büchern. Dieses Problem kann man auch nicht mit Gesetzen angehen, sondern nur über die Verantwortung der Eltern.

Es stellt sich grundsätzlich die Frage nach der wissenschaftlichen Basis für Herrn Näfs Forderung. Tatsächlich gibt es Studien zum Thema Gewalt in Computerspielen mit unterschiedlichen Folgerungen8. Der Artikel «Killerspielalarm in Deutschland»[9] geht eingehend darauf ein und der Artikel «Killerspiele in der Diskussion»[10] geht auf die Reaktionen auf den Artikel ein. Gefährlicher als «Killerspiele» ist laut einer Studie der regelmässige Verzehr von Süssigkeiten11. Wollen wir nun deswegen eine Alterskontrolle für Schleckzeug? Am Computer spielen die Kinder mit virtuellen Waffen und kämpfen gegen Bits und Bytes.

Im Militär hingegen werden unsere jungen Erwachsenen an echten Waffen und im echten Töten ausgebildet. Der Täter von Höngg hat den Umgang mit der Waffe im Militär gelernt, vom Militär hatte er auch seine Waffe. Der Amokläufer von Erfurt war in zwei Schützenvereinen und ist nur dadurch in den Besitz einer echten Waffe gelangt. Man kann in einem Computerspiel nicht das Töten und den Umgang mit einer echten Waffe erlernen, genauso wenig wie ein Rennspiel die Fahrschule ersetzen kann. Eine virtuelle Kugel hat noch nie eine Menschen getötet. Gemordet wird mit echten Waffen. Ein Schutz der Bevölkerung, der auf Basis von Computerspielen ansetzt ist wirkungslos, Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Wollte man der Logik der Computerspielgegner folgen, müsste man nicht gegen Spiele vorgehen, sondern gegen Waffenbesitz, gegen Schützenvereine und gegen das Militär. Doch offensichtlich erscheint es gewissen Kreisen nur politisch opportun, gegen angeblich jugendverderbende Computerspiele vorzugehen, und die Augen vor den wahren Gefahrenquellen zu verschliessen. Die Piratenpartei will nicht Schützenvereine verbieten, aber sie besteht darauf, dass die Verhältnismässigkeit gewahrt wird, alle Gefahrenquellen berücksichtigt werden, abhängig von der realen Gefahr entscheidet, die tatsächlich von ihnen ausgeht, und nicht willkürlich aus emotionalen Gründen gegen das vorgeht, was einzelnen moralisierenden Politikern als «anstössig» erscheint.

Die guten Wirkungen von «Killerspielen» hingegen sollten auch erwähnt werden. So verbessern Killerspiele beispielsweise die Sehfähigkeit12, sie verbessern sensomotorische Reaktionen und Hand-Auge-Koordination, sowie die Orientierung im Raum. Selbst wenn Computerspiele die Aggressivität erhöhen, so ist ein kurzfristiger oder leichter Anstieg von Aggressivität nicht schlechtes. Nur gegen eine wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesene signifikante und nachhaltige Schädigung müssten überhaupt Massnahmen ergriffen werden.

Fazit: Herr Näf ist ein Extremist, der mit einem an ein religiöses Dogma grenzenden Fanatismus gegen Spiele kämpft, deren tatsächliche Jugendgefährdung höchst umstritten ist. In Inhalt und in der unprofessionellen, reisserischen Aufmachung erinnert die Seite des VgmG13 sehr an diejenige des VgT14. Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Extremisten die politische Agenda diktieren und unsere Politik bestimmen. Herrn Näfs Forderungen sind ohne Massnahmen vollumfänglich zurückzuweisen.

Selbstkontrolle des Handels

Videospiele sind in der Schweiz von der USK und/oder der PEGI eingestuft. Dabei handelt es sich um eine Gesellschaft und um einen Verband, welche eine Altersempfehlung für Spiele abgeben. Circa 50 Händler der Schweiz, darunter Media-Markt, Citydisc, Ex-Libris oder Interdiscount, haben sich freiwillig einem «Code of Conduct» unterstellt. Sie verpflichten sich dadurch nur Spiele zu verkaufen, die mit dem PEGI-Rating gekennzeichnet sind, das Alter der Käufer zu prüfen und gegebenenfalls den Verkauf zu verweigern.[5] Bei den sogenannten "Killerspielen" handelt es sich immer um Spiele ab 18 Jahren, also freigegeben für mündige Menschen.

Unsere Empfehlung

Spätestens seit dem tragischen Amoklauf von Winnenden (D) werden Gewalt beinhaltende Videospiele auch in der Schweiz thematisiert. Diese Diskussion wird jedoch nicht sachlich, sondern sehr emotional und polemisch geführt. Doch Videospiele, auch Gewalt beinhaltende, sind mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft und genau wie Filme oder Musik besitzen sie einen kulturellen Wert, der nicht ignoriert werden darf, auch wenn der Inhalt gewisser Spiele nicht jedermanns Geschmack ist.

Die Diskussion um mediale Gewalt muss an Sachlichkeit gewinnen und Videospiele sollen nicht als Sündenbock für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht werden. Es darf nicht sein, dass durch ein nicht auf Fakten beruhendes Verbot erwachsene Bürger bevormundet werden.

Es gibt unterschiedliche und sich widersprechende Studien zum Thema Schädlichkeit von Spielen auf Kinder. Die Piratenpartei fordert daher von den politisch verantwortlichen eine umfassende Studie, die untersucht, ob Computerspiele gravierenden Einfluss auf die kindliche Entwicklung haben kann, wenn ja, ob inwieweit dies von der Art des Spiels, der Menge des täglichen Spielkonsums und dem Alter der Kinder abhängig ist. Nur auf Basis einer solchen umfassenden Studie ist die Entscheidung möglich, ob es gesetzliche Zugangsbeschränkungen braucht. Die bisherigen Altersvorgaben beispielsweise erscheinen einerseits willkürlich festgelegt und zielen andererseits nur auf die Art des Spiels, nicht aber auf die Menge des Spielkonsums. Die geforderte Studie soll unter anderem klären, ob dieser Ansatz richtig ist, oder ob nicht vielmehr über die Eltern eine Einschränkung der Menge des Spielkonsums viel angemessener wäre, unabhängig vom Spielinhalt.

Gewalt beinhaltende Spiele gehören nicht unkontrolliert in Kinderhände. Eltern müssen ihre Aufsichtspflichten wahrnehmen. Sie kennen ihre Kinder am besten und können am besten abschätzen, welche Medien tauglich sind und welche nicht. Die PEGI-Beurteilung hilft den Eltern bei ihrem Entscheid. Der medialen Überforderung der Eltern muss entgegengetreten werden, damit diese ihre Funktion als Erziehungsberechtigte auch im medialen Bereich wahrnehmen können. Es ist aber falsch, diese Aufsichtspflicht an den Staat oder an die Verkäufer zu delegieren.

Daher unsere Forderungen

  • Es sind vorerst keine weiteren Massnahmen notwendig, die bestehenden Regelungen sind ausreichend.
  • Der Bund sollte eine unabhängige Studie in Auftrag geben.
  • Ein Verbot von Spielen für Erwachsene lehnen wir ab.
  • Wir fordern die Anerkennung von Videospielen als Kulturgut.
  • Win unterstützen die Förderung der Medienkompetenz der Eltern.

Quellen

  1. ? 1,0 1,1 Motion Roland Näf http://www.medialegewalt.ch/artikel_presse/Rede_GR_killerspiele_presse.pdf
  2. ? Bernerzeitung: Killer-Games - Regierungsrat muss Sanktionsmassnahmen erarbeiten http://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/KillerGames-Regierungsrat-muss-Sanktionsmassnahmen-erarbeiten/story/10867106
  3. ? Gamerights Roland Näf vergleicht Gewaltspiele mit Kinderpornos http://www.gamerights.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=94%3Aroland-naef-vergleicht-qkillerspieleq-mit-kinderpornos&catid=37%3Anews&Itemid=63
  4. ? hr online "Kunst und Spiele sind keine getrennten Welten" http://www.hr-online.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=5982&key=standard_document_35022726
  5. ? 5,0 5,1 PEGI: Umsetzung in der Schweiz http://www.pegi.info/ch/index/id/1374/
  6. ? PEGI: Video Games Markt 2008 http://www.pegi.info/ch/index/id/1374/media/ppt/244.ppt
  7. ? Telepolis: Sind «Raserspiele» gefährlicher als «Killerspiele»?" http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24880/1.html
  8. ? Telepolis: Brutale Spiele(r)? http://www.heise.de/tp/r4/artikel/12/12443/1.html
  9. ? Telepolis: Killerspielalarm in Deutschland http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25486/1.html
  10. ? Telepolis: Killerspiele in der Diskussion http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25905/1.html
  11. ? Telepolis: Regelmässiger Verzehr von Süssigkeiten soll gewalttätiger machen http://www.heise.de/tp/blogs/6/146217
  12. ? Telepolis: Killerspiele verbessern die Sehfähigkeit http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30030/1.html
  13. ? VgmG: Verein gegen mediale Gewalt http://vgmg.ch
  14. ? VgT: Verein gegen Tierfabriken http://vgt.ch

Anregungen aus dem Bericht

Werner Rüdisühli 07:24 Uhr

Ich schliesse mich meinem Vorredner an. Herr Näf kann sich noch so auf die Hinteren stellen; es braucht weder eine kantonale Lösung noch eine selbige auf Bundesebene. Die Kontrolle darüber, was Minderjährige am Bildschirm spielen (oder eigentlich generell in ihrer Freizeit tun) ist ganz klar Sache der Erziehungsberechtigten.

Peter Münger 06:32 Uhr

Die Eltern müssen wieder vermehrt in die Pflicht genommen werden. Sie müssen wissen wo ihr Bälger sind, was sie in der Freizeit machen und was auf den Festplatten sind. Für mich ist dies Vernachlässigung. Staatliche Kontrollen bringen sehr wenig. Viele wehren sich dagegen da sie sich mehr mit den Kindern beschäftigen müssten. Die Kuschelgesellschaft schiebt die Probleme immer ab an den Staat

Tschannen Werner 27.01.2010, 17:39 Uhr

Ein jedes Computerspiel hat eine ,,pegi,, Altersempfehlung. Es ist keine grosse Sache wenn die Eltern ab und an eine kontrolle der Spielesammlung des Kindes machen würde und jene Spiele beschlagnahmen bis das bestimmte Alter ereicht wird. Beim Verkauf ist schlecht anzusetzen, zu einfach ists den grossen Bruder zu schicken um das neuste ,,killergame,, zu kaufen.

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